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Risiken und Grenzen der Forschung in Synthetischer Biologie

Drei Fragen an Anna Deplazes Zemp, Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich und Ursula Jenal, Jenal & Partners Biosafety Consulting, Rheinfelden

Molekularbiologische Forschung im Labor
Bild: Luca Volpi (flickr)

Wie weit darf die Forschung in der Synthetischen Biologie und ihre Anwendungen gehen?

Anna Deplazes Zemp, Biologin und Ethikerin: Diese Frage kann man nicht mit einem Kriterium abschliessend beantworten. Mir erscheint es wichtig, dass in der Wissenschaft und in der Gesellschaft ein offener Diskurs darüber stattfindet, was man von der Forschung erwartet und wo Grenzen liegen. Dazu ist es notwendig, dass man auf allen Seiten offen ist für unterschiedliche Vorstellungen und versucht zu verstehen, weshalb es Meinungsverschiedenheiten gibt. Das kann an der unterschiedlichen Einschätzung von Gefahren und Risiken liegen, an einem unterschiedlichen Verständnis von Forschung oder an unterschiedlichen Werten und Idealen.

Ursula Jenal, Biosicherheitsexpertin: In der Schweiz und in Europa ist die Forschung mit biologischen Materialien – einschliesslich der synthetischen Biologie - klar geregelt. Diese Regelwerke verbieten die Forschung nicht, aber sie stellen sicher, dass eine Gefährdung von Mensch und Umwelt abgewendet werden kann. Darin wird bestimmt, welche biologischen Materialien in welchen Arten von Labors unter welchen Sicherheitsmassnahmen bearbeitet werden dürfen. Alle Forschenden müssen ihre geplanten Arbeiten bei den Bundesbehörden melden und Tätigkeiten mit hohem Risiko bewilligen lassen. Damit die Sicherheitsmassnahmen auch eingehalten werden, kontrollieren die kantonalen Behörden die Forschenden in Industrie und an den Hochschulen vor Ort. Es besteht also ein sehr engmaschiges Netz der Sicherheitsüberprüfung, damit Mensch und Umwelt nicht geschädigt werden.

Wie soll man mit den weltweit unterschiedlichen rechtlichen und kulturellen Grundlagen umgehen?

Anna Deplazes Zemp: Da gibt es unterschiedliche Ebenen. Obwohl die Frage solcher Grenzen keinesfalls von Forschern alleine getroffen werden sollte, denke ich, es ist wichtig, dass in der betroffenen internationalen Forschergemeinschaft im Austausch mit Experten aus Recht, Soziologie, Ethik usw. ein Diskurs zu Grenzen der Forschung stattfindet. Es wäre wünschenswert, dass innerhalb dieser Gemeinschaft erste Standards oder Grenzen gesetzt werden. Im Fall von Forschung am Menschen hat die „World Medical Association“ beispielsweise mit der Helsinki Declaration sehr einflussreiche Standards gesetzt, die regelmässig überarbeitet werden, um neue Tendenzen in der Forschung aufzunehmen. Daneben ist es aber ebenso wichtig, dass in jedem Staat eine Diskussion dazu stattfindet, welche Forschung die entsprechende Gesellschaft im Rahmen ihrer Kultur auf ihrem Staatsgebiet unterstützen möchte. Das kann zu staatlicher Regulation der Forschung führen. Auf der internationalen Ebene könnte man über die UNO oder UNESCO auch Grenzen oder Standards für die Forschung festzusetzen. Die Erfahrung zeigt aber, dass dieser Ansatz meist sehr oberflächlich bleibt und dass der Prozess langsam und schwerfällig ist.

Ursula Jenal: Es bestehen weltweit Netzwerke von Biosicherheitsfachleuten, deren Absicht es ist, die Sicherheit der Forschung mit biologischen Materialien zu fördern und die Sicherheitsmassnahmen zu harmonisieren. Internationale Organisationen wie die World Health Organisation (WHO) haben internationale Richtlinien für die sichere Forschung der Biotechnologie inklusive synthetische Biologie erstell. Die Arbeit der Biosicherheitsverantwortlichen ist Basisarbeit und fördert sicheres Arbeiten auch dort, wo es keine gesetzlichen Anforderungen gibt. Verschiedene Organisation der EU, der WHO und weitere gemeinnützige Organisationen und lokale Regierungen unterstützen diese Arbeit und den Wissenstransfer. Für Biosicherheitsverantwortliche ist es klar, dass biologische Risiken nicht vor Grenzen halt machen und nicht von rechtlichen und kulturellen Ansichten abhängen. Sie versuchen durch ihre Unterstützung der Forschenden die Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten, egal auf welchem Erdteil diese stattfindet.

Wer soll darüber entscheiden, was die Forschung darf – Wissenschaft, Politik, Gesellschaft?

Anna Deplazes Zemp: Das ist eine Entscheidung, die nur im Dialog gefällt werden kann. Zudem ist Wissenschaft ein sehr dynamisches Unterfangen neue Erkenntnisse, neue Methoden, neue Möglichkeiten etc. führen dazu, dass solche Entscheidungen immer wieder neu diskutiert und revidiert werden sollten.

Ursula Jenal: Es ist die Pflicht der Forschenden die Öffentlichkeit, Politik und verschiedene Gesellschaftskreise mit der Unterstützung von Biosicherheitsverantwortlichen korrekt über biologische Risiken von Forschungstätigkeiten aufzuklären. Andererseits ist es die Pflicht der Öffentlichkeit und der Politik Fragen zu diesen Risiken zu stellen. Eine Einigung sollte idealerweise in einem Ping-Pong-Prozess erreicht werden. Die Öffentlichkeit bezahlt und profitiert von der Forschung, sie trägt aber in einer generellen Form schlussendlich auch die Risiken. In diesem Prozess sollten aber auch Interessen deklariert und Interessenskonflikte vermieden werden. Weiter sollte der Prozess auf wissenschaftlich erhobenen Daten basieren und der Gefahr von „Fake-News“ begegnet werden.

September 2018

Kategorien

  • Synthetische Biologie