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Gene mit Spezialantrieb

Kurzbericht Séance de réflexion "Gene Drive"

Die Gene Drive-Technologie hat in der Tagespresse bereits für erste Schlagzeilen gesorgt – Zeit also, um diese Methode wissenschaftlich fundiert vorzustellen und zu erörtern. Daher haben das Forum Genforschung und das Forum Biodiversität der SCNAT mit Unterstützung des BAFU sechs Fachleute eingeladen, um Gene Drive aus naturwissenschaftlichem, aber auch aus regulatorischem, naturschützerischem und ethischem Blickwinkel auszuleuchten.

Séance de réflexion "Gene Drive"
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Gene Drives sollen dafür sorgen, dass sich eine gewünschte genetische Veränderung rasch in einer ganzen Population ausbreitet. Dazu muss eine gewünschte Veränderung eines Gens auf einem Chromosom auf den zweiten Chromosomenstrang übertragen werden, sodass sie an alle Nachkommen weitergegeben wird. Um das zu erreichen, wirkt eine eingebrachte Gen-Schere (z.B. die Endonuklease Cas9) in Kombination mit dem zelleigenen Reparatursystem als ein Kopiermechanismus.

Gene Drive – Möglichkeiten in der Medizin, Landwirtschaft und im Naturschutz

Nikolai Windbichler, Molekularbiologe am Imperial College in London, erläuterte die Möglichkeiten, wie dieser Ansatz als Waffe im Kampf gegen Malaria eingesetzt werden könnte, z.B. indem Mücken genetisch so verändert werden, dass sie den Malariaerreger nicht mehr übertragen. Er konnte zeigen, dass das Prinzip in Laborpopulationen funktioniert und die Krankheitsübertragung blockiert wird. Allerdings mutierte das Gene Drive -Konstrukt, und nach 30-50 Generationen entstanden Resistenzen, was den Mechanismus wirkungslos machte. Doch auch ein vorübergehender Effekt könnte ausreichen, um den Infektionszyklus zu durchbrechen und die Krankheit zu besiegen, insbesondere, wenn Gene Drive mit anderen Massnahmen kombiniert werden.
Diskutiert wird auch eine Anwendung von Gene Drive in der Landwirtschaft. Ernst Wimmer, Genetiker aus Göttingen, erforscht Möglichkeiten zur Bekämpfung von Vorrats- und Frassschädlingen. Im Labor führte er Versuche mit Fruchtfliegen durch und konnte bereits in der der ersten Generation bei 7% der Fliegen Resistenzen beobachten. Daher steht Ernst Wimmer der Anwendung von Gene Drive in der Landwirtschaft eher skeptisch gegenüber. Nebst der Anwendung von Gene Drive in der Medizin und der Landwirtschaft könnte die Technik auch als Instrument im Kampf gegen invasive Neobiota eingesetzt werden.
Laut Gernot Segelbacher, Spezialist für Naturschutz an der Universität Freiburg in Breisgau, könnte die Technik am ehesten auf Inseln zum Einsatz, wo eingeschleppte Arten (z.B Nager) die einheimische Fauna bedrohen. In Europa wird der Naturschutz wohl noch länger ganz auf Gene Drive verzichten. Eine Zusammenarbeit von Molekular- und Naturschutzbiologen ist jedoch wichtig, beispielsweise, um gemeinsame Fallstudien zu entwickeln.

Risikoprüfung und ethische Einschätzung von Gene Drive

Aus regulatorischer Sicht fällt Forschung und Anwendung von Gene Drive in der Europäischen Union unter die Gentechnik-Gesetzgebung. Detlef Bartsch vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Deutschland präsentierte die Umweltrisikoprüfung von Gene Drive-Forschungsvorhaben an Tieren in der EU, die gemäss den Richtlinien zur Prüfung von gentechnisch veränderten Tieren erfolgt. Dabei müssen die Risiken vergleichend bewertet und je nach Zielsetzung des Eingriffs ein anderes Referenzsystem gewählt werden: Bei einer akuten Anwendung von Gene Drive wird diese mit einer alternativen Methode verglichen, bspw. mit dem Einsatz von Insektiziden. Bei einer vorsorglichen Anwendung wiederum gilt die Umwelt vor dem Auftreten des Schadorganismus' als Referenzsystem. Jeder Fall muss einzeln geprüft werden, eine allgemeine Risikobeurteilung für Gene Drives lässt sich nicht ableiten.
Kritisch sieht Samson Simon, Biologe im Bundesamt für Naturschutz Deutschland, dass Gene Drive ausdrücklich auf wilde Populationen von Tieren abzielt. Dies im Unterschied zu gentechnisch veränderte Organismen, die meistens Kulturpflanzen darstellen. Umso schlechter ist die Datenlage, weil die Biologie (z.B. genetische Variation und Artgrenzen) und Ökologie (z.B. Verbreitung, Nahrungsnetz) der Wildpopulation oft unzureichend untersucht ist. Im komplexen System der natürlichen Umwelt sind die Auswirkungen eines Eingriffs in das Erbgut einer Tierart deshalb umso schwieriger abzuschätzen.
Die Agroethikerin Kristin Hagen rief schliesslich dazu auf, die Folgen neuer Technologien nicht nur aus einem technischen Blickwinkel auszuloten, sondern auch die Anwendungsziele zu hinterfragen und die Frage nach den Wertvorstellungen und Absichten der Beteiligten zu stellen: Wer vertritt welche Interessen, wer trägt allenfalls den Schaden, wie zuverlässig sind die Bewertungsquellen, welche Alternativen gibt es zu Gene Drive, und wer trifft letztlich die Entscheidungen? Mit dem Appell an die Dialogbereitschaft und Kritikfähigkeit der Wissenschaft leitete der Moderator Peter Lehmann (sanu) zur Podiumsdiskussion, die dem Publikum die Möglichkeit gab, den einen oder anderen Aspekt aufzugreifen und Fragen zu stellen.

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