«RNA-Medikamente sind präzise und einfach herzustellen»
Die Impfungen gegen das Coronavirus haben grosse öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Doch damit ist das Potenzial der RNA-Technologien nicht ausgeschöpft. Zwei Berichte des Forums Genforschung bieten eine Übersicht und beleuchten vielversprechende Anwendungen in der Medizin und Landwirtschaft.
Diesen und weitere Artikel finden Sie im Jahresbericht 2024 der SCNAT.
Was versteht man unter RNA-Technologien?
Ribonukleinsäuren (RNA) übernehmen in unseren Zellen vielfältige Aufgaben. Sie sind unerlässlich bei der Produktion von Proteinen, beschleunigen chemische Reaktionen und regulieren Abläufe im Körper. Dies können wir uns zunutze machen: Mit künstlich hergestellter RNA lassen sich beispielsweise falsch regulierte Zellfunktionen korrigieren oder das Immunsystem auf Krankheitserreger vorbereiten. In der Landwirtschaft können sie genutzt werden, um Schädlinge zu bekämpfen.
Warum entstand gerade jetzt eine technische Studie dazu?
Der Erfolg der mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 hat dazu beigetragen, dass aktuell mit Hochdruck viele weitere Anwendungen entwickelt und getestet werden. Wir erwarten in den nächsten Jahren neue RNA-basierte Therapien und Pflanzenschutzmittel. Daher haben wir im Auftrag des Bundesamts für Umwelt und der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit die technische Studie erstellt. Neben einer detaillierten Übersicht soll sie auch die rechtliche Einordnung von RNA-Produkten unterstützen.
Welche Vorteile bieten RNA-Therapien gegenüber herkömmlichen Medikamenten?
Sie können gewisse Zellfunktionen sehr präzis beeinflussen. Das ermöglicht es, die Ursache verschiedener Krankheiten auf zellulärer Ebene direkt zu behandeln. Anders als Gentherapien verändern sie dabei das Genom der Zelle nicht und bleiben nur kurz im Körper aktiv. Entsprechende Medikamente lassen sich auch relativ einfach herstellen und verändern. Daher ist es möglich, schnell auf veränderte Krankheitserreger zu reagieren oder personalisierte Therapien zu entwickeln.
Wo bestehen – neben allen Vorteilen – Probleme?
Die gezielte Verabreichung der RNA in bestimmte Zellen ist schwierig. Und bei Impfungen ist die Reaktion des Immunsystems ein Balanceakt: Eine gewisse Stimulation ist notwendig, aber eine Überreaktion muss verhindert werden.
Was sind derzeit die vielversprechendsten Anwendungen in der Medizin und der Landwirtschaft?
Bereits auf dem Markt sind neben den Corona-Impfstoffen mehrere kurze RNA, die gegen bestimmte seltene Erbkrankheiten eingesetzt werden. Sie reparieren krankhafte Proteine oder verhindern deren Entstehung. Diese RNA wie auch weitere mRNA-Impfungen werden aktuell für die Behandlung verschiedener Krebsarten getestet. Ausserdem hat die USA ein erstes Pflanzenschutzmittel zugelassen, das gegen den Kartoffelkäfer wirkt.
Das Forum Genforschung hat auch eine Kurzfassung zur Studie publiziert. Warum?
Wie erwähnt dient die technische Studie als detaillierte Übersicht der wichtigsten RNA-Technologien und ihren Anwendungen. Sie richtet sich an ein Fachpublikum. Die Kurzfassung erklärt Laien und Laiinnen anhand spannender Beispiele, wie die Technologien funktionieren. Sie soll den Zugang für die breite Öffentlichkeit erleichtern.
Sandro Käser

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Dr. Sandro Käser
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